CO2-neutrale Energiegewinnung Photovoltaik kann mehr als nur Dach

Diese Fassade eines Gebäudes von Drees & Sommer in Stuttgart erzeugt Energie. © Jürgen Pollak

Schon vor der Energiekrise investierten Hoteleigentümer, vor allem aus der Privathotellerie, in nachhaltige Quellen zur Energiegewinnung wie Photovoltaik (PV), aber auch in Lade­stationen für E-Autos. Es lohnt sich, über den aktuellen Stand ­der Technik in diesen Bereichen gut informiert zu sein, um ­maßgeschneiderte Lösungen für das eigene Hotel zu finden.

Zu den aktuell größten Herausforderungen für Hoteliers zählen die hohen Energiekosten und die Energieverfügbarkeit. Eine im Dezember 2022 veröffentlichte, von der Treugast Solutions Group durchgeführte Umfrage unter 50 in Deutschland vertretenen Hotelbetriebsgesellschaften ergab, dass 13 Prozent von ihnen die hohen Energiekosten als existenzgefährdend einstufen. Der Wunsch nach möglichst viel Unabhängigkeit von Preissteigerungen auf dem Energiemarkt ist groß. Dass dies machbar ist, beweisen unter anderem die Explorer Hotels aus Oberstdorf. Ihre Hotels verbrauchen dank 100-prozentigem Passivhausstandard und eigenen Photovoltaik (PV)- und Solarthermie-Anlagen sogar weniger Energie, als sie selbst erzeugen. Die Gruppe erzeugt damit einen CO2-Fussabdruck von minus 0,04 Kilogramm pro Übernachtung.

"Jeder Hoteleigentümer sucht inzwischen individuell nach Quellen, um Energie selbst zu produzieren. Dabei hat die Privathotellerie in Eigentümerhand den Vorteil schneller Entscheidungsprozesse und Finanzierbarkeit. Gleichzeitig profitiert sie auch schneller vom Nutznießer-Effekt als Hotels, bei denen sich Eigentümer und Betreiber über diese Frage oft uneins sind", beschreibt Gesa Rohwedder, Head of Hospitality bei dem auf Bau und Immobilien spezialisierten Planungs- und Beratungsunternehmens Drees & Sommer, ein Dilemma der Branche.

Die Skalierbarkeit von wichtigen energetischen Maßnahmen auf ein 300-Zimmer-Hotel sei noch schwierig. Zudem unterschieden sich Fördermittel je nach Bundesland. Der Nachhaltigkeits-Ausschuss im Arbeitskreis Hotelimmobilien werde sich dieses Themas 2023 intensiv annehmen, so Rohwedder. Sie bekräftigt: "An E-Ladestationen für PKW und die Stromerzeugung durch PV führt kein Weg mehr vorbei. Bei einigen Häusern sind die Dächer allerdings mit der Haustechnik so gefüllt, dass dort kaum mehr Platz für Photovoltaik bleibt."

Modulare Fassade macht Unterschied

Doch auch hierfür gibt es eine Lösung: So hat Drees & Sommer in Stuttgart 2021 einen eigenen Büroneubau eröffnet, der nicht nur allen modernen Anforderungen in Sachen New Work, Umweltfreundlichkeit und Digitalisierung gerecht wird, sondern auch eine ganz besondere Gebäudehülle hat: Die neuartige modulare Fassade erzeugt Energie und erfüllt zugleich hohe Ansprüche an den Schallschutz. Hinzu kommt eine Grünfassade, die Schadstoffe filtert, den Straßenlärm dämmt und sich positiv auf das Mikroklima und die Artenvielfalt auswirkt. Als sogenanntes Plusenergiehaus erzeugt dieser Neubau im Betrieb mehr Energie als er selbst verbraucht. Neben der Fassade unterstützen PV-Anlagen auf dem Dach sowie Erdwärme über Geothermie-Bohrungen die Energiebilanz.

Die „e-co Face“-Fassade wurde nach den Prinzipien der Materialkreislaufplanung konzipiert. © Jürgen Pollak

Die modulare Fassade wurde von den Ingenieuren von Drees & Sommer zusammen mit dem Fassadenbauunternehmen FKN Fassaden mit Sitz in Neuenstein sowie dem Baustoffhersteller Evonik entwickelt. Die Lösung mit dem Namen "e-co-Face" wurde nach Prinzipien der Materialkreislaufplanung konzipiert. In Kombination mit den PV-Elementen ist die Fassade in Summe nur 210 Millimeter dick. Zum Vergleich: Eine konventionelle Konstruktion hätte für einen vergleichbar guten Schallschutz einen Gesamtaufbau von mindestens 450 Millimetern. Die eingesparte Fläche lässt sich im Innenraum nutzen.

Die Materialien, die in der "e-co-Face"-Fassade verbaut werden, erfüllen die Anforderungen entsprechender Umweltlabels wie DGNB, LEED oder BREEAM. "Es handelt sich hier um Hochleistungsdämmstoffe auf mineralischer Basis, die nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip wiederverwertet und ohne Atemschutz abgebaut werden könnten", erklärt David Schenke, Senior Team Leader Integrated Design bei Drees & Sommer. Die PV-Elemente in der Fassade erreichen etwa 100 Kilowatt-Peak Leistung, die Gesamtleistung der PV-Anlage inklusive Dach beträgt ca. 260 Kilowatt-Peak. Damit decken die auf ca. 670 Quadratmetern verbauten PV-Module etwa ein Drittel des Strombedarfs.

Generell gilt bei der Überlegung zur Anschaffung einer PV-Anlage: Je effizienter die Energiegewinnung, desto klimaneutraler und kostengünstiger ist sie. Daher ist eine Expertenanalyse noch ungenutzter Einsparpotenziale der erste Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieanlage. Anschließend sollten die Rahmenbedingungen des Hotelgebäudes geprüft werden. Dazu gehören unter anderem die Oberflächenbeschaffung der Fassade, das Stromprofil des Hotelgrundstücks und die Statik des Dachs. Zudem müssen sich Hoteliers bewusst sein, dass die Amortisation Zeit beansprucht. Bisher refinanzierte sich eine PV-Anlage für die Eigenstromerzeugung durchschnittlich innerhalb von zehn Jahren und brachte dann in den allermeisten Fällen eine erhebliche Einsparung mit sich.

PV-Überdachung für Parkplätze

Neben Dächern und Fassaden sind auch Parkflächen zur Energieerzeugung geeignet, in einigen deutschen Bundesländern ist sogar eine PV-Überdachung für Parkplätze ab einer Anzahl von 35 Stellplätzen verpflichtend. Ob und wann dies auf Bundesebene eingeführt wird, ist aktuell noch nicht absehbar. Ein Anbieter solcher Carports ist Sopago aus München. Das Unternehmen hat für das Atrium Hotel Amadeus in Osterfeld in Sachsen-Anhalt 41 Stellplätze überdacht – inklusive klimafreundlicher Solarstromerzeugung. Im Zuge dessen erweiterte das Hotel auch seine ­E-Ladestationen auf derzeit sechs Wallboxen.

Das Atrium Hotel Amadeus in Osterfeld in Sachsen-Anhalt hat seine Stellplätze mit PV-Anlagen überdacht. © Jürgen Pollak

Ein Nachteil der eigenen Stromerzeugung ist, dass die erneuerbaren Energien hohen Schwankungen unterliegen, die einer Regulierung bedürfen. Abhilfe können sogenannte Smart Grids schaffen. Dabei handelt es sich um intelligente Stromnetze, über die die Erzeuger erneuerbarer Energien, die Verbraucher und die Gebäude miteinander kommunizieren können. Vom Smart Grid erfährt das Energiemanagement der Gebäude zum Beispiel, wann es günstig ist, Strom aus dem öffentlichen Netz zu beziehen und wann es wiederum zur Entlastung des Netzes beitragen kann. Die schwankende Energiezufuhr und die Stromversorgung im Netz werden dadurch intelligent geregelt.

E-Autos als Energiespeicher

Damit dies funktioniert, müssen Gebäude jedoch über entsprechende digitale Technologien und Softwareprogramme verfügen. Als Smart Buildings können Immobilien dann mit Stromnetzen kommunizieren und ihren Verbrauch bei Bedarf anpassen. Meldet das Stromnetz beispielsweise einen Energieüberschuss aus PV, könnten Gebäude überschüssige Energie in Batteriespeichern deponieren. Es wäre außerdem möglich, E-Autos als passive Energiespeicher zu nutzen. "Schon heute gibt es in Deutschland rund eine Million E-Autos. Sie könnten zu Spitzen-Verbrauchszeiten wie abends, wenn in den Haushalten gekocht wird, Strom abgeben. In der Nacht, wenn der Stromverbrauch sinkt, werden sie wieder geladen", so Schenke. Für Unternehmen mit größeren Flotten an E-Autos könnte auch dieses Modell mittelfristig interessant sein.

Susanne Stauß